Bisherige Produktionen
 

1989 - 'Schinderhannes' von Carl Zuckmayer

1989 - Schinderhannes

1989 - Schinderhannes

Unterhaltsame Wahrheiten

Freilicht mit 'Schinderhannes'

Vom 03.07.1989 - Wiesbadener Kurier

Selbst die weiteste Anfahrt zur bald 800jährigen Burg Hohenstein über dem romantischen Aartal lohnt sich, ist doch dort noch an drei Wochenenden die professionelle Leistung einer Amateuerbühne bei den traditionsreichen Festspielen zu erleben. Carl Zuckmayers Schauspiel „Schinderhannes" bietet zudem Lokalhistorie, da der Räuber aus dem benachbarten Miehlen stammt und in Mainz sein junges Leben lassen mußte.
Wie gut, daß die „Taunusbühne" Bad Schwalbach nun ihren langgehegten Wunsch erfüllen konnte, aus eigenem Ehrgeiz und zum allgemeinen Erlebnis das zwischen Komödie und Tragödie angesiedelte Volksstück in die naturhaften Kulissen des einstigen Sitzes der Grafen von Katzenelnbogen einzubringen.
Möglich machte dies das Engagement der annähernd 30 Akteure, die teils Doppelrollen übernehmen mußten, was die aufwendige Probenarbeit nicht gerade verkürzte. Hut ab vor dem zeitlichen und passionierten Einsatz der Amateurschauspieler, von denen einige relativ neu im Ensemble sind, um auch — oder gerade — zum vielbeklatschten Erfolg der Premiere vor vielen prominenten Gästen beizutragen.
Zu spüren ist natürlich das professionelle Handanlegen von Regisseur Andreas Baesler, der aus der „Taunusbühne" in seinen Theaterberuf gewachsen ist. Und den mit der Dramaturgin Jutta Schubert eine einstige Regieassistentin von Claus Peymann tatkräftig unterstützte.
Beide führen die Akteure zu prallem bis deftigen Ausspielen der Mischung aus Moritat und Räuber-Romanze, die Schinderhannes als Rebellen gegen soziale Ungerechtigkeit und Fremdherrschaft (der Franzosen) erscheinen läßt. Die Inszenierung arbeitet das kleinste Detail im bewegten und flüssigen Spiel schön heraus und achtet neben sprachlicher Pointierung auch auf akkurate Gestik und Mimik.
Wen kann und darf man bei der geschlossenen Ensemble-Wirkung nennen? Jedenfalls Karlheinz Krusen in der Hauptrolle, die mit — zu großer? — Selbstsicherheit und geradezu Sendungsbewußtsein ausgefüllt wird. Kerstin Weiss — schon als „Mirandolina" zu feiern — spannt den Bogen von Lebensfreude und glaubwürdigem Liebesgefühl bis zu tragischen Momenten auf anrührende Weise.
Leicht überzogene Figuren wie Michael Möbs als Metzgermeister und die bewährte Rosemarie Haas in der Rolle des Gottverdippelche geben mit ihren theatralischen Auftritten dem begeisterungsfähigen Publikum „Futter". Zumal dieses manchmal „falsch lacht", wenn etwa herrschaftliche Willkür und soldatischer Drill mehr vordergründig denn als unterhaltsame Wahrheit goutiert werden. Vor allem Ernst Dupre als Bauer Raab hat Gelegenheit, die Gesellschaftskritik von Zuckmayer einzubringen. Wobei fraglich bleibt, ob der revolutionäre Gestus über den Beifall hinaus nachträgliche Zustimmung fände.
Als aufgepfropftes Regie-Theater und Stilbruch zum Volksstück mag manchem die abschließende Hinrichtungsszene erscheinen. Obwohl der Auftritt des Volkes in Masken, wie beim Chor einer griechischen Tragödie, außer seiner optischen Wirkung durchaus aktuelle Bezüge zu Sensationslust und Angepaßtheit der Masse aufweist.                 Ng

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Julchen und Adam (Kerstin Weiss und Andres Bäppler)
 

Wildwest im Hunsrück

Carl Zuckmayers „Schinderhannes" in Hohenstein

Vom 03.07.1989 -  Wiesbadener Tagblatt

gbs. — Eine der bisher größten Produktionen der Taunusbühne Bad Schwalbach bei den Burgspielen Hohenstein gestaltete sich zu einem Höhepunkt im Wirken des engagierten Amateurtheaters. Premiere hatte bei den Freilichtspielen (mit Zeltdach über dem Publikumsbereich) ein für diese Szenerie geradezu prädestiniertes, ja anders — in festen Theatern — heute kaum noch denkbares Stück: Carl Zuckmayers Moritat vom „Schinderhannes". Unter der professionellen, glückvoll auf Ensembleleistung bauenden Spielleitung von Andreas Baesler und Jutta Schubert zeigte sich ein spielfreudig-gelöstes Team aus vielen langjährigen und neuen Mitgliedern der Taunusbühne. Es gelang, für Zuckmayers Volksstück eine Großzahl von Männern „anzuwerben", darunter Debütanten mit beachtlichen Talenten.
Die Aufführung — bei der Premiere vom Publikum begeistert gefeiert — stützt sich auf einige zentrale und konsequent aufgebaute Gesichtspunkte. Allen voran gilt dies für die auf beeindruckende Weise genutzten natürlichen Gegebenheiten. Die Produktion rückt nicht nur den Reiz der puren Felsen-Szenerie heraus, sondern sie unterstreicht deren Strahlkraft als unabdingbaren Bestandteil der Handlung und ein alles beflügelndes Moment. Eindringlich überträgt sich so auf das Publikum auch die geographische Nähe des Geschehens, denn oft tauchte der in Miehlen bei Natstätten geborene Johann Bückler im Rechtsrheinischen als Krämer Jakob Ofenloch auf.

1989 - Schinderhannes
Schinderhannes (Karlheinz Krusen) und Margaret (Petra Schmitt)
1989 - Schinderhannes
Schinderhannes (Karlheinz Krusen) und Margaret (Petra Schmitt)


Das unverkrampfte und von der heimatlichen Mundart bestimmte Auftreten der Akteure beeindruckt durch zahlreiche nicht nur umwerfende urige Orginale, sondern dabei auch durch bisweilen sehr nuancenreiche Typenporträts. Es vermittelt sich dadurch etwas von der Atmosphäre und vom Leben einfacher Menschen vor über 180 Jahren. Nicht nur der informative, klug die tatsächlichen Hintergründe zusammenfassende Programmtext Jutta Schuberts, nein, die gesamt Produktion selbst ist bestrebt, den Schinderhannes-Mythos und den Ruf des „Verbrechers von Ehre" etwas abzubauen, zumindest abzuschwächen. Es geht um einen jungen Mann, „der in den Wirren einer von Krieg und Armut gebeutelten Zeit einige Jahre lang ein weder besonders heroisches, noch außergewöhnliches Räuberleben... geführt hat" (siehe Programmheft).
Auf Grundlage einer zügigen Strichfassung, zwischen den Bildern von symphonischen Klängen untermalt, rollt das Spiel spannend und rasch ab. Mehr und mehr kristallisiert sich das Ganze als ein Action-Western aus dem Hunsrück. Das häufig derbdeftige und vor Komödiantentum strotzende Volksstück (Kostüme: Sieglinde Hüsam) endet nachdenklich in der eindringlich umgesetzten, erschreckend aktuellen Szene vor der Hinrichtung — unterbewusst denkt man an China.
Neben Karlheinz Krusen in der Hauptrolle und Kerstin Weiss (Julchen) seien stellvertretend einige herausragende Originale genannt: Ernst Dupre, Thankmar Stamm, Michael Möbs, Volker Stemmler, sämtliche Räuber, allen voran Joachim Tölg und Stephan Müller, Rosemarie Haas und Knut Schneider.

1989 - Schinderhannes
Schinderhannes (Karlheinz Krusen) und Benedum (Joachim Tölg)
1989 - Schinderhannes
Schinderhannes (Karlheinz Krusen) und Benedum (Joachim Tölg)