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1990 - 'Flammen über Hohenstein'

1990 - Flammen über Hohenstein

1990 - Flammen über Hohenstein

Historie mit dem Taunusfranz

Premiere von „Flammen über Hohenstein" zum Auftakt der Freilichtspiele

Vom 02.07.1990 – Aar Bote

J. M. — Anläßlich großer Jubiläen erhalten historische Gebäude manchmal eine Restaurierung — ihr materielles Bestehen in der Zeit ist dann wieder gesichert. Ein Bewußtsein für ihre historische Bedeutsamkeit wach zu halten, ist weit schwieriger. Anläßlich ihres 800jährigen Bestehens erhielt die Burg Hohenstein im oberen Aartal ein ganz besonderes Geschenk: die Uraufführung eines historischen Schauspiels.
Mit „Flammen über Hohenstein" eröffnete die Taunusbühne Bad Schwalbach die diesjährigen Freilichtspiele im Burghof. Das Amateurtheater hat hier eine lange Tradition und immer schon verleitete das besondere Ambiente dazu, historische Stoffe zu behandeln. Jagsthausen hat seinen „Götz" und profitiert von dem direkten Bezug von historischer Figur und der zur Legende gewordenen Kunstfigur in Goethes historischem Schauspiel, mit dem er den Grundstein, seiner Karriere legte.
Hohenstein hat jetzt einen ähnlichen Identifikationspunkt: den Taunusfranz. Er ist die Figur, die den roten Faden spinnt durch die dreizehn locker aneinander gereihten Bilder, die der Autor Paul Sonnendrücker zu seinem Schauspiel geformt hat. Der 1921 in Straßburg geborene Theaterwissenschaftler hat einige Erfahrung im Umgang mit historischen Stoffen (so schrieb er schon 1958 ein erstes Stück über den Bauernkrieg), verbunden mit einer langjährigen Arbeit mit professionellen Theatern und Amateurgruppen.
„Flammen über Hohenstein" ist seinem Inhalt nach eindeutig ein historisches Schauspiel, in seiner Form tendiert es zur Moderne. Die Reihung verschiedener Bilder, schafft einen szenischen Charakter — die Wirklichkeit setzt sich dann aus mehr oder minder zufälligen Einzelpunkten zusammen, scharf und unbestechlich. Wir kennen es von Büchners Woyzeck, einer radikal psychologischen Studie. Und hier liegt auch der Zugang zu Sonnendrückers Geschichtsverständnis.Detailstudien setzen sich zum großen Bild zusammen. Der Dreißigjährige Krieg gibt den Rahmen ab zu einem Spiel, das das Leben Einzelner in dieser verhängnisvollen Zeit zeigt. Der Taunusfranz ist einfacher Soldat - kein großer Feldherr. Die Szenen spielen in einer Bauernfamilie, auf dem Markt in Langenschwalbach, in der Burg Hohenstein.

1990 - Flammen über Hohenstein

In diese eng umfaßte, regionale Welt dringt der Krieg, die Bedrohung von außen aus dem unübersehbaren Weltgeschehen. So wechselt auch der theatralische Standpunkt. Das Schauspiel öffnet sich mit Einblicken ins Lager der schwedischen Soldaten und zu einer Friedenskonferenz der am Krieg beteiligten Herrscher.
Der Taunusfranz durchwandert all diese Stationen, vom begeisterten Jungen, der ins Abenteuer Krieg ziehen will, bis zum zerschundenen Veteran, der in eine verwüstete Heimat zurückkehrt. Schonungslos werden die Folgen eines Krieges gezeigt, der vorgab, religiöse Grundwerte zu verteidigen, wie meist aber nur politische Machtinteressen durchsetzte.
Mit diesem Stück muß sich die Amateurtruppe der Taunusbühne einer großen Herausforderung stellen — und sie tat dies mit bestem Erfolg. Die für die Regie und Organisation verantwortliche Barbara Zorn verzichtete in der Realisierung dieses groß angelegten Schauspiels bewußt auf Tendenzen, den historischen Stoff durch Aktualisierung näher an die Gegenwart zu holen. Eine differenzierte Personenregie und das durchgehend lebensnahe Spiel aller Akteure sicherten einen direkten Bezug zum Publikum und eine Lebendigkeit, die dem historischen Stoff eine natürliche Brücke schlägt in jede Gegenwart.
So wurde auf Burg Hohenstein Geschichte nicht zum Anlaß einer gelassen schwelgenden Rückbetrachtung, vielmehr zu einer konkreten Aufforderung, im Spiegel des Vergangenen das Allgemeine und Gegenwärtige richtiger einzuschätzen.
Zu einem Spiegel der schauspielerischen Fähigkeiten und Leistungen aller Beteiligten wurde Joachim Tölg in der Rolle des „Taunusfranz", der in seiner Spielfreude und Wandlungsfähigkeit besonderes Lob verdient. Die Burg Hohenstein hat zu ihrem Jubeljahr mit diesem Schauspiel ein starkes Lebenselexier erhalten.

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Eine Art Vergangenheits-Bewältigung auf anrührend-fesselnde Weise

Uraufführung zur 800-Jahrfeier / Packende Inszenierung der „Taunusbühne"

Vom 02.07.1990 – Wiesbadener Kurier

Als zum Schluß des historischen Schauspiels Feuer aus dem Gemäuer hoch über dem Aartal loderte, mochten Augenzeugen in der Umgebung fürchten, nun brenne die Burg Hohenstein endgültig ab. Dabei erwies sich die 800jährige Ruine gerade durch die Eröffnung der Freilichtspiele lebendig und als aktuelles Zentrum kultureller Aktivitäten.
Wahrlich jubiläumsreif war, was bei der Premiere der Bad Schwalbacher „Taunusbühne" vor vollbesetzten Reihen und vielen prominenten Gästen geboten wurde. Die Uraufführung des Stücks „Flammen über Hohenstein" von Paul Sonnendrücker wurde in der packenden Inszenierung des Amateur-Theaters zu einer anschaulichen und beziehungsreichen Darstellung aus der Burg-Geschichte,
„So oder ähnlich" könnten sich die Sehrecken des 30jährigen Krieges auf der Burg Hohenstein abgespielt haben, sagte die Regisseurin und Vereinsvorsitzende Barbara Zorn einleitend. Die zwischen episch and theatralischen Szenen wechselnde Handlung wurde zu einem mahnenden Requiem in Sachen Krieg und Frieden.
Einerseits ist es verdienstvoll, daß der französische Autor die 800-Jahrfeier der Burg nicht zur Ausstellung von vermeintlich heroischen Zeitläufen und Persönlichkeiten nutzte. Zum anderen hat der Theaterwissenschaftler Paul Sonnendrücker ein historisches Spektakel verfaßt, das eine Art Vergangenheits-Bewältigung auf anrührend-fesselnde Weise betreibt.

1990 - Flammen über Hohenstein


Freilich mag als Schock-Therapie und Stilbruch empfanden werden, wenn sich kriegerische und, tragische Szenen mit schwankhaften mischen. Andererseits kann dieses Kunstmittel zur Breitenwirkung auch als realistische Widerspiegelung des Lebens betrachtet werden, um Geschichte greifbar und nutzbar zu machen. Collagenförmig wird in „Flammen über Hohenstein" das Schicksal des „Taunus-Franz" mit der Welthistorie des 30jährigen Krieges verbunden. Der junge Mann aus Hohenstein will auf dem Schlachtfeld zu Ruhm und Besitz kommen. Und spätestens, als er zum Schluß ein Leichenfeld auf der brennenden Burg vorfindet, wird die Aussage vom „Krieg gegen das Volk" auch für ihn wahr und zur Einsicht. Zuweilen etwas lehrhaft, und nicht aus der Handlung erwachsend führt das Stück den wahrlich „verheerenden Krieg" — so Ernst Dupre im informativen Programmheft - als religiös kaschierte Auseinandersetzung um macht und Besitz vor. Um so packender und anrührender dagegen die realistisch ausgespielten Folgen mit samt ihrer Demoralisierung und Verrohung, den Schrecken und Leiden.
Das Leben der marodierenden und letztlich auch zu Sozialfällen werdenden Landsknechte wird ebenso hart und emotional zugleich dargestellt wie das der betroffenen Bevölkerung. Die Burgruine Hohenstein gibt den stummen und glaubwürdigen Zeugen für das dramatische Geschehen ab, das durch einige fiktive Szenen und etwas störende Pausen unterbrochen wird.

1990 - Flammen über Hohenstein


Barbara Zorn hat mit dem großen und engagierten Ensemble alle Möglichkeiten der Bühnenwirksamkeit von „Flammen über Hohenstein" ausgeschöpft Mit Dekorationen, Kostümen, Liedern und dramatischer Musik — von Berlioz bis zu Prokofieff — entstehen Volksszenen und makabre KriegsgreueL Die Amateure — fälschlich als Laienspieler „gefeiert" — agieren zu lebensecht und überzeugend, daß selbst spröde Passagen des Stücks Funken zu den letztlich begeisternden „Flammen über Hohenstein" sprühen lassen. ERNST GÜNTHER

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