Bisherige Produktionen
 

2000 - 'Der eingebildete Kranke'

Stückbeschreibung

Die von der Taunusbühne auf die Burg Hohenstein gebrachte Fassung von 'Der eingebildete Kranke' - im Original von Molière - wurde von Hans-Horst Seumel unter Verwendung der Baudissin'schen Übersetzung neu geschrieben.

Argan ist physisch gesund, aber psychisch krank. Er leidet nicht an den Krankheiten, die von seinen kurpfuschenden Ärzten behandelt werden. Er leidet, weil er krank sein will.

Argan muß sich fortwährend als leidender Mittelpunkt der Welt sehen. Er ist ein Hypochonder. Seinem krankhaften (eingebildeten) Leidensdruck hat sich alles unterzuordnen. Auch das Lebensglück seiner Tochter. Sie darf nicht den Mann, den sie liebt, heiraten, sondern soll „zum Wohle“ des Vaters einen angehenden Mediziner zum Manne nehmen.
Auf diese Weise will sich Argan eine ständige -und kostenlose- ärztliche Versorgung sichern. In seiner Ichsucht und Verblendung glaubt er auch fest an die selbstlose Liebe seiner Frau und erkennt nicht ihre Habsucht.

Es bleibt dem vernünftigen Dienstmädchen Toinette vorbehalten, die Bezüge zwischen Täuschung und Wahrheit, Schein und Sein aufzudecken. Als Arzt verkleidet, öffnet sie Argan die Augen über die Ignoranz der Ärzte. Indem sie ihn überredet, sich tot zu stellen, läßt sie Argan die wahren Gedanken und Gefühle seiner Frau und seiner Tochter erfahren.

Um nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, läßt sich Argan -auf Rat seines Bruders- schließlich selbst promovieren. Das Stück endet mit einer burlesken Zeremonie in der Argan das Recht verliehen wird, 'ungestraft zu purgieren, zu stechen, zu schneiden und zu Tode zu bringen'.

Uraufführung 10.02.1673

 

Mitwirkende:

Argan - Hans Haas
Angelique, Tochter des Argan - Angela Pfeiffer
Louison, Tochter des Argan - Sabine Müller
Beline, seine 2. Frau - Gudrun Pfeiffer
Beralde sein Bruder - Andreas Roskos
Cleante - Frank Baumgart, Bernhard Zorn
Diafoirus, Arzt - Thomas Kremer
Thomas Diafoirus, sein Sohn - Christian Müller
Purgon, Arzt - Thomas Kremer
Bonnefoi, Notar - Andreas Roskos
Fleurant, Apotheker - Christian Müller
Toinette, Dienerin - Verena Scholz
Wirt im Vorspiel - Roland Glatzer
Präsident der Fakultät - Roland Glatzer
1. Arzt - Thomas Krämer
2. Arzt - Christian Müller
Komposition und musikalische Begleitung - Michael Dauth

2000 - Der eingebildete Kranke

Bühnenbau - Sven Thiele, Uwe Hangen, Günther Soukup
Technische Einrichtung und Beleuchtung - Frank Klein, Alex Gajic, Klaus Schwärzel
Maskenbildnerische Beratung - Helmtrud Feil
Maske - Rosemarie Haas und das Schminktöpfchen
Requisite - Saskia Reis
Kostüme - Sieglinde Hüsam und das Nähstübchen
Presse - Uschi Just, Ulrich Müller
Gruppenvorverkauf - Marianne Neuendorf
Souffleusen - Annette Chadzelek, Silvia Sarnowski
Inspizienz - Roland Glatzer, Markus Scholz
Regiehospitanz - Ines Ernst
Regieassistenz - Hans Schneider
Inszenierung - Hans-Horst Seumel

 

Wiesbadener Kurier vom 13.6.2000 -Untertaunus-Ausgabe

Hilfe vom ewigen Jammerlappen

Nervös hüstelnd, gebeugt, als ob ein Kartoffelsack seinen Rücken krümmt, schlurft das klapprige Männchen über die Bühne. Vorher noch einen kurzen Schluck von den in giftigen Farben schimmernden Wundermittelchen, bevor er sich in den rettenden Sessel fallen lassen kann. Endlich, möchte man sagen, denn Argan scheint es so richtig schlecht zu gehen. Klarer Fall von "Das Ende naht". Fast keimt Mitleid auf, hätte Molière nicht bereits im Titel alles vom Schicksal des Argan verraten: er ist ein "eingebildeter Kranker".

Mit der Premiere des Komödienklassikers aus der Feder des populärsten Theaterdichters der Barockzeit startete die Taunusbühne Bad Schwalbach in die neue Freilufttheatersaison. Vor der imposanten Kulisse der Mauern von Burg Hohenstein frischte die Laienspieltruppe eines der Lieblingsstücke Ludwigs XIV. auf und gab ihm ein neues zeitgemäßes Gesicht, ohne die Wurzeln zu vergessen. Behutsam hat sich Hausregisseur Hans-Horst Seumel der Baudissinschen Übersetzung angenommen, Textpassagen gestrafft, manche ganz gestrichen und andere neu erstellt. Herausgekommen ist eine derbe, deftige Burleske bissig-satirischen Zuschnitts. Lachen bis der Arzt kommt, heißt der Leitfaden.

Vor allem Argan-Darsteller Hans Haas beherrscht perfekt die hohe Kunst das Stück am Klamottenartigen entlangbalancieren zu lassen. Seine Darstellung des elenden Jammerlappens und miesepetrigen Hypochonders hilft hinweg über kritische Momente einiger seiner Mitspieler, allen voran seine etwas überdreht agierende Tochter Angélique (Angela Peiffer). Jedes Zipperlein Argans wird aufgebauscht zu einem nahenden physischen Unheil, das über Leben und Tod entscheiden könnte. Argans eingeschränkter Bewegungsraum in seinem thronartigen Krankensessel findet seine Parallele im engstirnigen Horizont, was den unbedingten Glauben an die Heilkunst seiner Ärzteclique angeht. Denen geht es nicht um den Patienten, sondern um korrekte Honorarabrechnungen. Mit pseudogelehrtem Medizinerlatein, von dem Argan nur Bahnhof versteht, haben sich seine Ärzte Purgon und Diafoirius, beide glänzend in ihrer arroganten Blasiertheit verkörpert von Thomas Kremer, ein dankbares Versuchskaninchen und einen Melkesel in Geldfragen geschaffen. Des Hausherrn völlige Hörigkeit und seine Gier nach Klistieren und allerlei anderen Heilmethoden, konterkariert Dienerin Toinette (Verena Scholz) mit dem nötien scharfen Mundwerk.

Jedem Charakter verleihen Seumels Regieeinfälle eine transparente Klarheit. Ist man durch die Inszenierung schon allerhand Groteskes gewohnt, erhält das Stück am Ende mit der karikierten Aufnahme Argans in den Ärztestand den wohl ungewöhnlichsten Schlussakzent aller bisherigen Aufführungen.

Dirk Pennigsack